St. Johann-Würtingen
Eine mit mehr als zweitausend Hektar außergewöhnlich große Markung und reichlich Wald: Das Dorf Würtingen war eines der »stattlichsten im Oberamt«, wie es in einer alten Beschreibung heißt. Wohlhabend war ganz bestimmt auch das Ehepaar, das sich im Jahr 1774 in der Mitte des Marktfleckens an einen imposanten Neubau wagte: ein Bauern- und Wirtshaus, mit vier Stockwerken und Bühne sowie einer 14 Fenster breiten Fachwerkfassade. »Bauen ist ein schöner Lust, hat viel gekost, habs nicht gewusst«, steht auf einer Steinplatte in der Hauswand. Zwischen 2006 und 2008 mit Sorgfalt saniert, ist das Haus heute repräsentativer Sitz der Gemeindeverwaltung. Das alte Schulhaus nebenan entstand 1911.
Die meisten früheren Einrichtungen des florierenden Bauerndorfs Würtingen sind Geschichte: die Molkerei, die Getreidemühle, der Farrenstall. Die heutige Andreaskirche wurde Mitte des 18. Jahrhunderts gebaut. Der romanische Chorturm, die Emporenbilder und der Taufstein stammen noch aus der alten Kirche.
Der Gestütshof St. Johann und der Fohlenhof gehören zum Haupt- und Landgestüt Marbach. Im 17. Jahrhundert wurden die ersten herzoglichen Fohlenställe errichtet. Namensgebend für die Gesamtgemeinde war eine frühere Wallfahrtskirche.
Der Gestütshof ist ein sehr beliebtes Ausflugsziel, auch als Ausgangspunkt für Wanderungen. Vor hundert Jahren wurde der Aussichtsturm Hohe Warte gebaut, der ganz in der Nähe liegt. Er ist immer geöffnet.
Eine größere Gruppe von Grabhügeln liegt im Wald ‚Heselbuch‘ und von hier stammen zahlreiche hallstattzeitliche Gräber. Ebenfalls aus älteren Untersuchungen stammen bronze- und hallstattzeitliche Funde aus weiteren Grabhügeln auf der Gemarkung, insgesamt sind solche an 14 Plätzen nachgewiesen. Siedlungsspuren der Vorgeschichte sind vom ‚Eulenbrunnen‘, dem ‚Längental‘, dem ‚Kreuzbühl‘ und dem ‚Stettenrain‘ bekannt geworden. Von überregionaler Bedeutung ist die Eisenerzverhüttung beim Eulenbrunnnen. Das Areal wird bisweilen schon als ‚Ruhrgebiet‘ der Alb bezeichnet. Verarbeitet wurden hier die anstehenden Bohnerze der Umgebung, die in Schächten und Gräben abgebaut wurden. In der frühkeltischen Zeit erlangt das Eisen nach der Bronzezeit eine große Bedeutung und hohen materiellen Wert. Römische Siedlungsplätze bestanden vermutlich am ‚Kreuzbühl‘ und im Ort (Lammstraße). Die bisherigen Funde deuten eine bemerkenswert dichte und intensive vormittelalterliche Aufsiedlung der Würtinger Kuppenalb an.
Ein Steinplattengrab wahrscheinlich aus dem 7. Jahrhundert n. Chr. wurde im Gewann ‚Obere Wiese‘ am westlichen Ortsrand freigelegt. Weitere frühmittelalterliche Funde stammen vermutlich aus Nachbestattungen in frühkeltischen Grabhügeln im Umfeld vom Hof St. Johann. Eine frühmittelalterliche Gründung des im frühen 12. Jahrhundert als ‚Wiltridingen‘ genannten Ortes ist anzunehmen. Drei Wüstungen (Burkhausen, Heselbuch und Kirchheim) belegen weitere, kleinere Siedlungsplätze, die im Laufe des späten Mittelalters aufgegeben worden waren.
