Pliezhausen
»Teufelchen« wird sie genannt, die Figur, die in der Westwand der Martinskirche quer liegend eingemauert ist. Was als Hörner gedeutet wurde, sind freilich Federn: Das Relief zeigt den römischen Gott des Handels Merkur mit seinem geflügelten Helm, mit Schlangenstab und Geldbeutel. Die Gemeinde am Neckar war schon zu römischer Zeit begehrtes Siedlungsgebiet. Nicht zufällig ist Pliezhausen Teil der Römerstraße Neckar-Alb-Aare.
Auch die Alemannen, die die Römer in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten abgelöst haben, hinterließen in Pliezhausen einen kleinen Schatz, der heute im Stuttgarter Landesmuseum aufbewahrt wird: eine Scheibenfibel aus Goldblech, deren Motiv – ein Reiter in der Schlacht – verblüffend den Bildern aus Fundstätten in Skandinavien und England ähnelt.
Im Dorfmuseum »Ahnenhaus«, einem ehemaligen Bauernhaus von 1570, kann man sehen, wie die Menschen vor 150 Jahren lebten. Verschiedene Werkstätten, Maschinen aus den fünf Strickereien, die es früher in Pliezhausen gab, und der ehemalige Dorfladen aus Dörnach werden gezeigt. Jedes Jahr gibt es eine Sonderausstellung. Der Arbeitskreis Dorfmuseum pflegt ehrenamtlich das Museum und den Garten.
Der früher hier entlang des Neckars gepflegte Weinbau ist Geschichte. Ein anderes Produkt Pliezhausens wurde früher bis in die Schweiz gehandelt, ist aber auch heute noch begehrt, wurde etwa für die Sanierung des Tübinger Rathauses verwendet: der Stubensandstein.
Ein größeres Siedlungsareal der Jungsteinzeit lag im Gewann Baumsatz auf der Höhe am nördlichen Ortsrand. Bei der Überbauung in den 1990er Jahren konnten noch Vorratsgruben, Steingeräte und Keramikscherben beobachtet werden. Ein römischer Gutshof wird westlich vom Ort im Gewann ‚Kohlholz‘ vermutet, ebenso im Neckartal und an der Straße von Rottenburg nach Köngen. Römisch ist auch das an der Kirche links vom Zugang liegend eingemauerte Bildstein im Halbrelief, das Merkur zeigt. Woher der Reliefstein stammt, ist ungewiss. Ein schon vermutetes römisches Heiligtum an dieser Stelle ist dadurch nicht belegt. Im frühen Mittelalter belegt ein alamannisches Gräberfeld auf der Anhöhe über dem Neckartal eine Ansiedlung des 6. bis 8. Jahrhunderts.. Die Martinskirche könnte noch in diese Frühzeit zurückreichen. Überregional bekannt ist der Pliezhauser Reiter, eine mythologische Darstellung einer Kampfszene auf einer goldenen Scheibenfibel als Totenbeigabe in einem der alamannischen Gräber. Der Ort wird 1092 als Plidolfeshusin genannt.
