Metzingen
Seinen Höhepunkt erreichte der Weinbau in Metzingen im 16. Jahrhundert. Alle geeigneten Hänge am Dorf – es war für damalige Verhältnisse bereits auf stattliche Größe angewachsen – waren mit Reben bedeckt. Am Kelternplatz am nordöstlichen Ortsrand standen neun Keltern. Große Grundbesitzer, etwa das Kloster Zwiefalten, besaßen ihre eigenen. Viele Häuser hatten einen Weinkeller. Der Weinbau war für den Marktflecken ein zentraler Wirtschaftsfaktor, brachte Wohlstand und durch den damit verbundenen überörtlichen Handel auch etwas städtisches Flair.
Das stärkte das Selbstbewusstsein, was sich zum Beispiel beim Aufstand des Armen Konrad zeigte, als Metzingen ein Zentrum des Widerstands war. Damals wurde auch viel gebaut. Eine größere Martinskirche wurde in dieser Zeit errichtet: Anstelle des romanischen Altbaus entstanden Chor und Turm im gotischen Stil. Die 1514 gegossene Glocke Hosanna klingt noch heute.
Das Kirchenschiff ist damals allerdings nicht ganz fertig geworden, sein an den gotischen Chor angepasstes Gewölbe entstand erst mehr als dreihundert Jahre später. Denn der Phase des Aufschwungs folgten Jahrzehnte der Krise. Der Dreißigjährige Krieg hatte für Metzingen einschneidende Folgen. Nach dem Einfall kaiserlicher Truppen 1634 kam es zu einer Hungersnot und zu einer verheerenden Pestepidemie. Ein Teil der Gebäude des Ortes brannte ab, von den neun Keltern wurden sieben zerstört. Nur die Äußere Heiligenkelter und die Äußere Stadtkelter, beide aus dem frühen 16. Jahrhundert und auf noch weit ältere Vorgänger zurückgehend, überstanden die Unglücksjahre.
Fünf Keltern wurden wieder aufgebaut. Aber die Siebener-Gruppe wäre dann beinahe den Modernisierungsbestrebungen der 1960er Jahre zum Opfer gefallen, trotz Denkmalschutz. Pläne für eine moderne Bebauung des Platzes lagen bereits vor. Sie wurden nicht umgesetzt – ein Glück für das heutige Metzingen, das mit seinem Kelternplatz ein kulturhistorisch einmaliges Ensemble besitzt.
Andere Bauwerke, die das frühe Metzingen prägten, sind nahezu restlos verschwunden. Keine Spur mehr von der Turmhügelburg der Herren von Metzingen, einer Familie von Edelfreien aus dem Gefolge der Achalmgrafen. Nur noch ein Graben ist erhalten von der Burg auf dem Weinberg. Sie gehörte den Herren von Stöffeln, die im 13. Jahrhundert halb Metzingen besaßen. Nur noch Erinnerung auch die Pfarrkirche auf dem Staufen, dem Berg, der heute »Florian« genannt wird – nach Florinus, dem Patron dieser Kirche. Sie wurde nach der Reformation abgetragen.
Von der bevorzugten Lage profitierten die Einwohner des Marktfleckens quer durch die Jahrhunderte. Ein Knotenpunkt zweier Fernstraßen, mildes Klima und das Wasser der Erms – das stellte die Weichen für wirtschaftlichen Erfolg. Sogar die Nachbarn aus der Residenzstadt Urach sahen mit der zunehmenden Bedeutung des Markt- und Handelsorts Metzingen ihre Felle davonschwimmen, ermsabwärts. Um das Stadtrecht bewarb sich die Bürgerschaft 1831 vor allem mit dem Ziel, auf den überörtlichen Märkten zu punkten. Städtische Ware verkaufte sich einfach besser.
In vorindustrieller Zeit waren Lederwaren und feine und robuste Wolltuche die wichtigsten Produkte der jungen Stadt. Ein Teil der in Württemberg gewonnenen Wolle wurde hier verarbeitet. Am Ermskanal wurden die Mühlen in Fabriken umgewandelt. Die Eröffnung der Eisenbahnlinie 1859 brachte einen weiteren Entwicklungsschub: Metzingen wurde Industriestandort. Die Tuchfabrik Gaenslen & Völter, mit bis zu sechshundert Beschäftigten einst eins der größten Unternehmen, die 1888 gegründete Maschinenfabrik Holder, die Pflanzenschutzspritzen und Schlepper für den Weinbau produzierte, die Enzian-Seifenfabrik Bazlen, gegründet 1857: Das waren einige traditionsreiche Metzinger Industriebetriebe. Das Modeunternehmen Hugo Boss hat in den letzten Jahrzehnten die wirtschaftliche Entwicklung von Metzingen entscheidend geprägt. Zu einem Manufaktur- und Aussteuergeschäft kam in den 1920er Jahren die Kleiderfabrik hinzu. Hergestellt wurden zunächst Berufskleidung und im Dritten Reich vor allem Uniformen. In der Nachkriegszeit begann die Produktion von Herrenanzügen. Als die Boss-Enkel Uwe und Jochen Holy in den 1970er Jahren ihren ersten Fabrikverkauf eröffneten, wurde ein neues Kapitel aufgeschlagen – Metzingens Karriere als international bekannte Outlet-Stadt begann.