Grafenberg
Im Turm der evangelischen Michaelskirche schlägt eine Glocke aus dem 13. Jahrhundert – wohl die älteste im gesamten Landkreis Reutlingen. Schon 1246, als der Ort in einem Brief an den Papst Innozenz IV. zum ersten Mal erwähnt wurde, war auch von der Pfarrkirche zum heiligen Michael die Rede. Die Kirche in ihrer heutigen Form stammt aus dem Jahr 1726. Ursprünglich hieß das Dorf ganz einfach »Berg«. Damit ist zugleich sein ganz eigener Charakter beschrieben, geprägt von der Höhenlage an der Flanke eines ehemaligen Vulkankegels, mit weiter Rundumsicht vom Albtrauf bis in den Neckarraum. An den Hängen wurde jahrhundertelang Wein angebaut, früher eine wichtige Erwerbsquelle im Ort.
Im Mittelalter lokalisieren Historiker hier einen Fron- und Herrschaftshof, von dem aus der Besitz der Grafen von Urach in weiterem Umkreis verwaltet wurde. Gut dokumentiert ist eine keltische Höhensiedlung, die auf dem Grafenberg angesiedelt war. Schon in der Jungsteinzeit dreitausend Jahre früher ist der Vulkankegel bewohnt gewesen.
Mit wachsender Bevölkerung kam Grafenberg im 19. Jahrhundert an seine Grenzen. Fast 400 Grafenberger verließen ihre Heimat, um sich in Russland oder Nordamerika eine neue Existenz aufzubauen. Grafenberg besitzt wenig landwirtschaftlich nutzbare Flächen. Deshalb war der Hausierhandel, vor allem mit Linsen und Büchern aus Reutlinger Verlagen, für viele Einwohner eine wichtige Erwerbsquelle. Daran erinnert noch heute das Linsenfest, das alle zwei Jahre gefeiert wird.